Mit Ende des Jahres 2025 sollen subsidiär Schutzberechtigte aus dem anspruchsberechtigten Personenkreis in der Tiroler Mindestsicherung ausgeschlossen werden. Das sind Menschen, denen im Herkunftsland Tod, Krieg oder Folter droht, oder deren Leben aus anderen Gründen in akuter Gefahr ist (wie etwa durch schwerwiegende Erkrankungen). Deshalb wurde ihnen in Österreich dieser Schutzstatus gewährt und sie haben keine Alternative als in Österreich zu bleiben.
Die derzeit 850 Schutzberechtigten im Mindestsicherungsbezug können ihr (Über-)Leben in Tirol derzeit nicht eigenständig finanzieren. Diese Menschen werden nun durch die geplante Gesetzesnovelle auf Grundversorgungsleistungen weit unter der Armutsgrenze und auch auf Heimplätze (die es derzeit gar nicht gibt) angewiesen sein. Besonders prekär wird die Situation jener Betroffenen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen jedoch trotzdem zu wenig Einkommen zum Überleben, aber zu viel für die Grundversorgung haben.
Akute Notlagen und Elend sind unausweichlich und werden offensichtlich in Kauf genommen. Menschen ohne Möglichkeit eines Verdienstes aus Erwerbsarbeit werden jeglicher Perspektive auf Integration und eines menschenwürdigen Daseins beraubt. Für das Land Tirol sind das Wenige – diese trifft es aber mit Sicherheit und voller Härte, und sie werden fast alles verlieren.
Stellvertretend für die betroffenen Erwachsenen, Familien, Kinder und Jugendlichen werden wir in den kommenden vier Wochen die Auswirkungen anhand konkreter Fallbeispiele aufzeigen.
Wir fordern die Verantwortlichen auf, nicht alle Lichter auszublasen und hoffen, dass es nicht zu den vorprogrammierten Härtefällen kommen wird. Darüber hinaus muss es Ziel sein, subsidiär Schutzberechtigten österreichweit den notwendigen Schutz auch in Hinsicht auf die finanzielle Absicherung durch Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung zu gewähren.

1.Kerze des Grauens
Junger Erwachsener-Lehrling-potentielle Fachkraft:
Herr M. ist 19 Jahre alt und lebt ohne seine Familie in Österreich. Nach Abschluss seines Asylverfahrens konnte er keine eigene Unterkunft finden und wohnt derzeit in der städtischen Herberge der ISD.
Er besuchte den Globus-Kurs und hat dadurch im November eine Lehrstelle gefunden. Eigentlich würde er gerne eine Wohnung anmieten, doch trotz langer und intensiver Suche war dies bisher erfolglos.
Wie wirkt sich die Änderung des TMSG auf ihn aus?
Ab dem 1.7.2026 wird er keinen Platz mehr in der Herberge haben, da diese über die Mindestsicherung finanziert wird. Mit der Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr kann er jedoch keine eigene Wohnung bezahlen. Er wäre gezwungen, seine Lehre abzubrechen und stattdessen eine Hilfsarbeit anzunehmen.
Durch den hohen Tagsatz und den Selbstbehalt in der ISD-Herberge kann er jedoch keine Rücklagen bilden – etwa für eine Kaution. Ein Anspruch auf Zusatzleistungen, wie die Übernahme einer Kaution durch die Mindestsicherung, besteht ab 1.1.2026 nicht mehr. Damit wird er, selbst wenn er als Hilfsarbeiter arbeitet, keine Chance haben eine Wohnung anzumieten.
Für die Grundversorgung hat er wiederum zu viel Einkommen, weshalb er dort keine Unterkunft erhalten wird.
Herr M. befindet sich somit in einem unlösbaren Dilemma.
Die Lehre ohne Unterkunft wird er auf Dauer nicht schaffen können. Die Hilfsarbeit ermöglicht es ihm nicht, eine Wohnung aus seiner derzeitigen Wohnsituation anzumieten. Sogar, wenn er beides nicht mehr ausübt, wird er durch seinen Arbeitslosengeldanspruch über der Grundversorgung liegen und dadurch keine Unterstützung erhalten. Selbst wenn er Anspruch auf Grundversorgung hätte, ist es fraglich, ob ihm ein Heimplatz angeboten werden kann, da es bereits jetzt einen Mangel an freien Heimplätzen gibt. Dieser Mangel wird sich 2026 durch die 850 aus der Mindestsicherung ausgeschlossenen Menschen nochmals verschärfen.
Inwiefern sorgt die Maßnahme der Landesregierung, subsidiär Schutzberechtigte aus der Mindestsicherung auszuschließen und in das System der Grundversorgung zu überführen, in seinem Fall für mehr Gerechtigkeit?
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2. Kerze des Grauens
Frau H. ist 32 Jahre alt und hat subsidiären Schutz. Sie lebt in Tirol und hat als Reinigungskraft gearbeitet. Aufgrund einer Gewaltsituation zuhause hat sie ihre Arbeit verloren und musste ins Frauenhaus flüchten. Derzeit werden die Aufenthaltskosten im Frauenhaus und der Lebensunterhalt über die Mindestsicherung finanziert.
Frau H. ist Analphabetin. Um eine Arbeit finden zu können, durch die sie ihre Lebenskosten decken kann, besucht sie aktuell einen Deutschkurs. Mit der Unterstützung der Mindestsicherung ist diese Bildungs- und Integrationsmaßnahme sowie bessere Qualifizierung für den Arbeitsmarkt im Moment noch möglich.
Wie wirkt sich die Änderung des Tiroler Mindestsicherungsgesetz (TMSG) auf sie aus?
Spätestens ab dem 1.7.2026 (sie fällt in die Übergangsbestimmung) werden für subsidiär Schutzberechtigte auch keine Aufenthaltskosten im Frauenhaus mehr von der Mindestsicherung übernommen.
Zusätzlich beträgt die maximale Aufenthaltsdauer im Frauenhaus ein Jahr, danach muss Frau H. auf dem überteuerten privaten Wohnungsmarkt eine Unterkunft finden.
Durch den Wegfall der Mindestsicherung wird Frau H. dazu gezwungen, den Deutschkurs abzubrechen und einen Job im Niedriglohnsektor anzunehmen. Eine ausreichende eigenständige Finanzierung der Lebens- und der Wohnkosten ist so nicht gesichert, Bildungschancen werden genommen.
Mit der Flucht ins Frauenhaus ist Frau H. finanziell auf sich allein gestellt – die Mindestsicherung kann eine solche Notlage derzeit aber noch abfedern. Diese existenzsichernde Unterstützung wird für subsidiär Schutzberechtigte künftig aber wegfallen.
Fehlende finanzielle Absicherung darf aber kein Hindernis sein, aus einer Gewaltbeziehung zu entkommen!
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3. Kerze des Grauens
Herr H. war Mechaniker in Somalia. Weil er nicht bereit war, mit der dort aktiven, terroristischen Gruppe zusammenzuarbeiten, wurde ein Auto mit einer Bombe versehen und in seine Werkstatt geschleust. Als er sich an die Arbeit machte, das Auto zu reparieren, kam es zur Explosion. H. hat dabei beinahe sein Leben verloren, ein Bein wurde amputiert, auch im anderen Bein und bis in den Unterbauch hat er bis heute aufgrund der Verletzungen und verbliebener Splitter starke Schmerzen.

Die traumatischen Folgen machen es ihm schwer, gut Deutsch zu lernen, sodass er nur langsam Fortschritte macht. Seine Arbeitsfähigkeit ist stark eingeschränkt und er bekommt Unterstützung im Haushalt von ‚Selbstbestimmt Leben‘.
Ohne Zugang zur Mindestsicherung wird er die Wohnung nicht mehr finanzieren können und müsste in eine Heimstruktur der Grundversorgung umziehen, das heißt, in ein Mehrbettzimmer. Auch ist unklar, ob eine Betreuung von Selbstbestimmt Leben weiterhin möglich sein wird, und ob überhaupt eine barrierefreie Unterkunft zur Verfügung steht. H. war – bevor er in die jetzige Startwohnung der Diakonie übersiedeln konnte – in insgesamt drei verschiedenen Unterkünften untergebracht, die allesamt nicht passend waren (z. B. im 4. Stock ohne Lift, wodurch er das Zimmer zwei Jahre lang nicht ohne Hilfe verlassen konnte). Die Teilhabe an der Gesellschaft und die Möglichkeit zur Integration werden dadurch massiv behindert werden. H. ist jung (ca. 30 Jahre alt).
Soll auch er den Rest seines Lebens in einer Heimunterkunft verbringen müssen? Wie kann er aus dieser nicht selbst verschuldeten Situation herauskommen?