Unterstützung der Aktion „Arbeitslosengeld rauf!“

Die Initiator*innen der Aktion „Arbeitslosengeld rauf“ fordern vom Nationalrat eine Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes,

  • mit der die Nettoersatzrate für die Bemessung der Höhe des Arbeitslosengeldes – wenigstens auf 70 % – und entsprechend die Notstandshilfe sofort und dauerhaft erhöht wird und
  • die Zumutbarkeitsbestimmungen entschärft werden sowie die Rechtsstellung der Arbeitslosen insgesamt verbessert wird.

Nähere Informationen und die Unterstützung des Volksbegehrens sind hier zu finden:

Sozialhilfe Neu – Tirol hat viel zu verlieren!!

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!
Sehr geehrte Regierungsmitglieder!
Sehr geehrte Abgeordnete zum Tiroler Landtag!

Die Bundesregierung hat nach monatelangem Lavieren nun ihre Eckpunkte zu einer neuen österreichweiten Mindestsicherung vorgestellt.  Der Gesetzesentwurf zur Novellierung hat unsere Befürchtungen bestätigt:  Die Mindestsicherung soll in ihrem Kern ausgehöhlt und zu einem Instrument der sozialen Ausgrenzung umgebaut werden.

Das „Bündnis Tirol“ ist ein Zusammenschluss von über 300 Einrichtungen, Institutionen und Dachverbänden in Tirol. Wir vertreten die gesamte Bandbreite von Menschen die durch Regelungen in der Mindestsicherung / Sozialhilfe unmittelbar in ihren Lebensverhältnissen betroffen sind.

Die Sozialpolitik der Regierung bereitet uns nicht nur Unbehagen, sondern erfüllt uns zunehmend mit Fassungslosigkeit und Zorn. Wir sind aber der Überzeugung, dass es noch nicht zu spät ist, dieser Politik der Menschenverachtung und Hetze entschieden entgegenzutreten. Ebenso sind wir davon überzeugt, dass es von Seiten der Bundesländer und der Gemeinden, wo immer es möglich ist, einen Schulterschluss braucht, der diesem Treiben ein Ende bereitet.

Sie, Herr Landeshauptmann, haben in den vergangenen Jahren wiederholt  gezeigt, wo die Grenze zwischen gesellschaftlicher Modernisierung und sinnlosem Abbau von hart erkämpften (sozialen) Rechten verläuft.   Die Novellierungen des „letzten sozialen Netzes“  in der Vergangenheit in Tirol waren von harten Einschnitten gekennzeichnet. Trotzdem blieben die Ziele und Grundsätze des Gesetzes, Armut und soziale Ausgrenzung zu verhindern, weiterhin erkennbar.

Die geplante Sozialhilfe NEU dagegen präsentiert sich in erster Linie als Disziplinierungs- und Bestrafungsinstrument und wird Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind, in die chronische Armut führen.  Neben dem generellen Ausschluss von Menschen aus der „Sozialhilfe NEU“ (strafrechtlich Verurteilte, subsidiär Schutzberechtigte, …) sind u.a. auch Familien mit Kindern, behinderte Menschen, Pensionist*innen und auch Arbeiter*innen mit geringem Einkommen die großen Verlierer*innen dieser Novellierung.

Der „Spielraum“, der den Ländern neben der absoluten Deckelung eingeräumt wird, um regionale Unterschiede abzufedern, wird bei Weitem nicht ausreichen, um in Tirol zukünftig von einer Existenzsicherheit bzw. von der Beseitigung einer Notlage auszugehen.
Zusätzlich befürchten wir die Gefährdung des sozialen Friedens, da der Solidaritätsgedanke zur Gänze ausgehebelt, die Bevölkerung in „Leistungsträger und Leistungsempfänger“ aufgeteilt wird, ohne Berücksichtigung von strukturellen oder individuellen Rahmenbedingungen (niedrige Löhne, hohe Lebenshaltungskosten, Erkrankung, …).

Unabhängig von der unmittelbaren Auswirkung auf betroffene Menschen, wird bereits jetzt  von Jurist*innen die Verfassungskonformität dieses Gesetzesentwurfes angezweifelt.

Tirol hat vieles zu verlieren, wenn seine Bürger*innen nicht mehr auf das christlich-soziale Gewissen zählen können und soziale Kälte und Gleichgültigkeit gegenüber den Anderen das Leben bestimmt.

Herr Landeshauptmann, wir appellieren dringend an Sie, Ihr gesamtes politisches Gewicht einzusetzen, um die Sozialhilfe NEU in dieser Form zu verhindern! Gehen Sie mit Ihrem Team den mutigen Schritt und überzeugen Sie die Regierung in Wien, einen anderen Weg einzuschlagen! Noch ist es nicht zu spät.

Unsere Unterstützung und die von zehntausenden von Tiroler*innen, die wir vertreten, sind Ihnen gewiss. Bei einem persönlichen Termin würden wir mit Ihnen  gerne die Auswirkungen auf Menschen in Tirol im Detail besprechen.

Mit  besorgten Grüßen
die Unterzeichner*innen

Beilage
Stellungnahme zum Entwurf des Sozialhilfegrundsatzgesetzes des Bündnisses

Ergeht abschriftlich an den Bürgermeister der Stadt Innsbruck – Herrn Georg Willi
und an den Bundespräsisdenten Dr. Alexander Van der Bellen

Stellungnahme zum Entwurf eines Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes

Unserer Stellungnahme haben wir den Gesetzesentwurf mit der Geschäftszahl: 104/ME XXVI, GP samt ergänzenden Erläuterungen zugrunde gelegt.

Das „Bündnis Tirol“ ist ein Zusammenschluss von über 300 Einrichtungen, Institutionen und Dachverbänden in Tirol. Wir vertreten die gesamte Bandbreite von Menschen die durch Regelungen in der Mindestsicherung / Sozialhilfe in ihren Lebensverhältnissen betroffen sind.

Wir haben, soweit uns dies möglich war, als Vergleich nicht nur das geltende Tiroler Mindestsicherungsgesetz, sondern auch die entsprechenden Gesetze der anderen Bundesländer für die Begutachtung herangezogen, um Auswirkungen auf den vorliegenden Entwurf eines Grundsatzgesetzes möglichst flächendeckend beurteilen zu können.

Vorab ist folgendes festzuhalten:                                                                                                                                    
Wird das Gesetz in dieser Form beschlossen, bedeutet das einen Rückschritt in die Zeit vor der Erlassung von Sozialhilfegesetzen in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Der Gesetzesentwurf präsentiert sich in erster Linie als Disziplinierungs- und Bestrafungsinstrument.

Die Ziele der Mindestsicherung (nun Sozialhilfe) werden grundlegend verändert. Die bisher obersten Grundsätze des letzten sog. sozialen Netzes in Österreich, die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, die Überwindung von Notlagen und die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens,  wurden ersatzlos gestrichen. Dafür wurden Ziele definiert, die weder durch die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe erreichbar sind, noch deren Aufgabe sein dürfen (Integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele,  Förderung der Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes, sowie strafrechtliche Nebenstrafen).

Die formulierten Höchstgrenzen (siehe § 5) ermöglichen in keinem Bundesland ein menschenwürdiges Leben. Noch einmal dramatischer stellen sich die Folgen für Bundesländer wie Tirol dar, wo hohe Lebenshaltungs- und Wohnkosten auf ein niedriges Lohnniveau treffen. In Tirol führen die geplanten Regelungen ohne Ausnahme für alle betroffenen Menschen zu weiterreichenden Kürzungen (bis zu 100% der hoheitlichen Unterstützung).

Die betroffenen Menschen werden durch den Beschluss dieser Regelungen in die Verelendung getrieben. Folgend sollen nur einige der zahlreichen negativen Auswirkungen des Gesetzesentwurfes benannt werden:

  • Kinderarmut wird bewusst gefördert und damit einhergehend die Verhinderung von Chancen auf Bildung und Zukunftsperspektiven eines Teils einer ganzen Generation. Der mittelfristige volkswirtschaftliche Schaden ist absehbar und wird immense Folgekosten nach sich ziehen.
    Mit über einem Drittel der Bezieher_innen stellen Kinder die größte Anspruchsgruppe dar und müssen gleichzeitig eine der weitreichendsten Kürzungen (bis zu 80%!) hinnehmen – sie sind damit die „größten Verlierer_innen“ des geplanten Gesetzesvorhabens! Betroffen sind 81.334 Kinder österreichweit – 5.155 davon in Tirol (Zahlen aus 2017).                                  
    Der vorliegende Gesetzesentwurf widerspricht darüber hinaus klar der Kinderrechtskonvention sowie dem Kindeswohlvorrangigkeitsgebot!
  • AlleinerzieherInnen und Familien werden durch die geplanten Höchstsätze sowie die Deckelungen der Leistungen, sehenden Auges in existentielle Notlagen getrieben. Eltern wird die adäquate Versorgung und Förderung ihrer Kinder verunmöglicht. Auch die Möglichkeit der Gewährung eines Alleinerzieher_innenbonus, vermag die weitreichenden Leistungsreduktionen bei weitem nicht aufzufangen, da es den Ländern einerseits völlig freistehen wird, ob sie solche Leistungen überhaupt gewähren und andererseits es keine Rechtssicherheit mehr gibt, da es sich um eine privatrechtliche Leistung handelt.
  • Der vorliegende Gesetzesentwurf bringt auch für Menschen mit Behinderung, aber auch für alte und kranke Menschen weitreichende Kürzungen mit sich. Da Mindestsicherung für diese Menschen häufig die einzige Möglichkeit einer existentiellen Absicherung ist und sie daher – im Gegensatz zum Großteil der Bezieher_innen – dauerhaft darauf angewiesen sind, treffen sie diese Einschnitte besonders hart. Trotz Berücksichtigung des privatrechtlichen „Bonus“ für Menschen mit Behinderung, sind betroffene Menschen in Tirol mit Kürzungen von bis zu 50 % konfrontiert.
  • Die weitere Zunahme von Wohnungslosigkeit, mit all ihren individuellen und gesellschaftlichen Folgen, wird nicht nur nicht verhindert, sondern – im Gegenteil – bewusst produziert. Insbesondere in  Bundesländern wie Tirol, mit sehr hohen Wohnkosten, werden Teile der Landesbevölkerung in die Wohnungsnot getrieben.
  • Integration wird erschwert bzw. durch einzelne Regelungen vollkommen verhindert. Der „Arbeitsqualifizierungsbonus“ stellt bei näherer Betrachtung wieder eine Wartefrist für Personen ohne Pflichtschulabschluss bzw. ohne sehr gute Deutsch- oder Englischkenntnisse dar und verletzt damit Verfassungs- und Europarecht.
  • Der Ausschluss von subsidiär Schutzberechtigten verunmöglicht deren Integration und entzieht diesen Menschen und ihren Kindern jegliche Lebensgrundlage und Perspektive.
  • Für Personen, die zu (bedingten) Haftstrafen verurteilt wurden kommt es zu einer Doppelbestrafung und dies ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar. Weiters kann  Mittellosigkeit zu weiterer Kriminalität führen und konterkariert damit die Intention einer bedingten Haftstrafe.
  • Die Aufnahme und Betreuung in Gewaltschutz-, Krisen- und Wohnungsloseneinrichtungen wird durch die Deckelung der Leistungen je Haushaltsgemeinschaften verunmöglicht. Den betroffenen Menschen (insbesondere Frauen und Kinder) bleibt damit die notwendige Unterstützung versagt, den sozialen Einrichtungen die Hände gebunden.
  • Die den Ländern vorgeschriebenen „abschreckenden Sanktionen“, bedeuten de facto weitreichende Kürzungen ohne Sicherstellung eines minimalen, zum Überleben notwendigen Betrages. Die Sicherstellung der Übernahme von Wohnkosten zur Verhinderung von Mietrückständen und Delogierungen, sowie Gewährleistung von Schutz für mitbetroffene Kinder und weitere Personen im gemeinsamen Haushalt, fehlt völlig.
  • Bezüglich des Sozialhilfe-Statistikgesetzes ist festzuhalten, dass  eine Verletzung des Verfassungsgesetztes zum Datenschutz vorliegt.

Abschließend ist zu kritisieren, dass der Bund in diesem Grundsatzgesetz Maximalbeträge bzw. Höchstsätze anstelle von Mindeststandards festlegt. Den Ländern werden durch den vorliegenden Entwurf praktisch keine Spielräume für adäquate, spezifische Problemlösungen vor Ort eingeräumt. Die Regelungen sprengen teils sogar den verfassungsrechtlichen Rahmen eines Grundsatzgesetzes.

Darüber hinaus entspricht die Qualität des Gesetzesentwurfes auch hinsichtlich der Lesbarkeit und Bestimmtheit nicht dem rechtsstaatlichen Prinzip. So bleibt insbesondere die Regelung gem. § 5 Abs. 5 des vorliegenden Entwurfes missverständlich und determiniert die weitere Ausgestaltung des Gesetzes durch die Bundesländer nicht in der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit.

Insgesamt ist der Entwurf aus den angeführten Gründen in seiner Gesamtheit abzulehnen.
Ein Gesetz, das menschenwürdiges Leben sichern und existenzsichernde Maßnahmen, sowie das Ziel einer funktionierenden Gesellschaft erreichen will, muss grundlegend anders verfasst sein.

Dies setzt einerseits ein grundlegendes anderes Verständnis von sozialer Absicherung  und andererseits die Einbindung von Fachleuten aus der Praxis und den Ländern voraus.
Die Bundesregierung wird daher dringend ersucht, von der Umsetzung dieses Gesetzes Abstand zu nehmen!

Mit freundlichen Grüßen

die Unterzeichner_innen

Offener Brief

§ 1 Tiroler Mindestsicherungsgesetz:
„Ziel ist es Armut und Ausgrenzung zu bekämpfen und BezieherInnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.“ Dafür setzen wir uns ein.

Mit 1. November ist nach einer Übergangsfrist die Tiroler Mindestsicherung NEU in Kraft getreten. Eine der gravierendsten Veränderungen im neuen TMSG ist, dass von der Übernahme der tatsächlichen, ortsüblichen Wohnkosten sowie der systematischen Trennung von Wohnkosten und Lebensunterhalt abgegangen wird. Die Wohnkosten werden in einer Höhe gedeckelt, die weit unter den realen Mietpreisen am privaten Wohnungsmarkt liegen. Teilweise liegen auch die Mietkosten von gemeinnützigen Wohnungen über den beschlossenen Deckelungen (z. B. Innsbruck Land Deckelung für 3 Personen bei € 591,–, gemeinnütziger Wohnbau TIGEWOSI drei Zimmer € 850,–).

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